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Der Sonne nach - ab in den Süden!

Pedra Longa
Pedra Longa

 

 

Vor rund 20 Jahren waren wir das erste Mal in Sardinien - und da bloß wandern. Auf der Etappe durch diese Insel heuer auf unserer Radreise entstand schon die Idee, wieder einmal hier her zu kommen und auch zu klettern. Fast auf dem Weg liegt doch Arco, dem könnten wir ja auch einen Besuch abstatten. Und schon war ein erster Plan für vier herrliche Kletterwochen im Süden skizziert.

Lago di Garda
Lago di Garda

 

Viele Stunden verbringe ich zuerst am PC, um auf der Seite www.climbingsardinia.com Routen, die für uns in Frage kommen, zu sichten, die Zustiege zu eruieren, Campingplätze zu finden und eine gewisse Ordnung in den ersten Plan zu bringen. Das Planen ist ja oft die halbe Freude! 

Zuerst aber suchen wir für rund eine Woche die Wände um Arco auf. Der Campingplatz ist modernisiert und verschönert - und verteuert, aber man erreicht ja sogar viele Touren zu Fuß und mit Shop und Pizzeria ist die Infrastruktur auch beachtlich.

Wir klettern tatsächlich 6 neue Routen hier: Von der anfangs mit besseren Schuhbändern in Sanduhren abgesicherten "Cercanda la trincea" am Pezol - hier traute ich mich im Vorjahr nicht hinauf - geht's zum Baone, zur "Guide Alpine". Schön und nett, prickelnder wird es, weil wir ungewöhnlich vom Zeltplatz aus über den Colodri-Klettersteig zu- und durch den Ort absteigen.

Wir kommen durch drei übereinander liegende Sektoren auf 12 Seillängen im Val die Ledro und steigen gleich ober dem Camping durch die Platte, die uns seit jeher anlacht: "Il sole che solleva" heißt sie und ist begeisternd schön.

   War es uns im vergangenen Jahr an den Felsen des Croce di Ceniga fast zu heiß, ist es jetzt nur angenehm in der unglaublichen "Via del Arco". Hier haben Grill und Freunde einmal entgegen ihrem sonst eher üblichen "Horich-Stil" gut platzierte Bolts gesetzt.

Über den Dächern von Lucca
Über den Dächern von Lucca

Auf der Fahrt nach Livorno zur Nachtfähre bleibt genug Zeit für einen Abstecher nach Lucca. Wir müssen natürlich wieder wo hinauf: Von einem sogenannten Geschlechter-Turm hat man ja sicher die beste Aussicht.

Unser erstes Ziel auf Sardinien heißt dann Cala Gonone. Von hier erreichen wir leicht die Surtana, eine wunderbare Schlucht im karstigen Bergland. Wir wollen was Leichtes gehen, einen Vierer. Lange suchen wir die Einstiege ab, es ist nur wenig angeschrieben, das Foto mit den Routen hilft auch nicht wirklich weiter. So fragen wir ein Schweizer Paar, die gerade wo einsteigen, über ihre Route: "Sound of Silence" lautet die Antwort, 6a sei es. Sie habe erst einen Bandscheibenvorfall überwunden und müsse sich erst gewöhnen! Also "gewöhnen" auch wir uns auf Gertis Vorschlag gleich einmal mit derselben Linie ein, nur gut, dass meine Bandscheiben in Ordnung sind.  Auch Gerti ist restlos begeistert und meint: "Wenn alles in Sardinien so mild bewertet ist..." Wie frau sich täuschen kann!

Am Ausstieg sind die Beiden überrascht, dass wir uns an den Fußabstieg machen, sie wüssten nur von der Abseilpiste. Das Gewitter grummelt immer näher, so dass wir die weiteren Kletterinnen mit Partnern nicht beneiden ums Abseilen. Wir kriegen  beim geschmeidigen Zurückwandern lediglich ein paar Tropfen ab. 

   Ein weiteres Mal hier in der Surtana staunen wir nicht schlecht, als wir von unserem ersten Stand zwei junge Leute beobachten, die mit kurzen Ärmeln und Hosen einsteigen. Wir haben schon alles, was wir mithaben an, und trotzdem macht uns der heftige Sturm nach der zweiten Seillänge den Garaus. Ah, ihnen doch auch! Kaum sind wir wieder am Einstieg, da blasen die Anderen ebenfalls zum Rückzug. Für uns reicht das Wetter aber wenigstens zu einer netten Wanderung auf den Monte Tiscali.

Wir klettern von Cala Gonone aus auch im Sektor Non Stop hoch über dem Meer, schön und einsam, eine andere Route wiederum finden wir nicht - und es wird hier tatsächlich sehr heiß.

Marinaio di foresta
Marinaio di foresta

   Die Weiterfahrt zum nächsten Platz bei Lotzorai wollen wir mit einer Kletterei in der Goroppuschlucht verbinden. Wir nähern uns von Norden - vom Süden her kennen wir einen Teil als Wanderung - und müssen wegen Straßenbauarbeiten gleich ein paar Kilometer mehr gehen. Nach rund 2 Stunden Abstieg (!) wird es spannend. Der Zustieg zu den geilen Platten ist der von Wanderern eher gemiedene obere Teil der Schlucht, mit unterdurchschnittlich vertrauenswürdigen, teils abgescheuer-ten Seilen, rostigen Ketten und abgebrochenen Eisentritten "versichert". Dafür ist die Kletterei harmlos und nett, landschaftlich freilich hervorragend. Und dann: Ja dann heißt es über die unguten Stellen zurück und in der Sonne etliche hundert Höhenmeter wieder aufsteigen. Das Bier dieses Abends verdampft schnell.

Von Lotzorai aus wandern wir auf die Punta Giradili, einen großartigen Aussichtsberg, die Felsnadel Pedra Longa stets im Blick. Weil am ersten Tag mehr als 10 Personen am Einstieg hier warten, klettern wir inzwischen "Direzione Nulla" und ahnen erst, welch toller Fels uns erwartet. Meinen Geburtstag können wir gebührend mit der 12-Seillängen-Route "Atlantide" auf die Punta di Mulone feiern. Hier ist der untere Teil eher (zu) leicht, die letzten drei Längen sind mir aber mit 6a+ frei zu schwer und zu kraftraubend. So viel zu den Bewertungen "in Sardinien".

Und dann sind wir früh genug dran und steigen als erste in die Marinaio di foresta an der Pedra Longa. So was Cooles: Du steigst direkt beim Wasser los, es pfeift gleich im 6. Grad senkrecht und überhängend hoch, schmerzhaft wasserzerfressen und rau, griffig und nicht zu üppig aber doch gut abgesichert. In dieser Tonart geht's 7 heiße Längen stets über dem Wasser, bestaunt von Besuchern in Ausflugsbooten weiter bis zum letzten Meter, einem überhängenden Wutzel, der sich dank überraschend großer Henkel leidlich überlisten lässt!

Torre Salinas
Torre Salinas

Die Weiterreise an die Westküste unterbrechen wir zunächst für eine kleine Wanderung, um die Gegend bei Ulassai kennenzulernen. Die schaut tatsächlich vor allem für Sportkletterer vielversprechend aus und es gibt seit kurzem einen Campingplatz.

   Wir machen noch in Torre Salinas Halt. Es ist eine wunderbare Gegend mit einem eher wenig attraktiven Camping. Die von der Beschreibung und den Bildern her sehr interessant wirkenden Placche del Elefante entpuppen sich als sehr schöne aber leichte und durchaus an einem Tag abzuhakende Sache. Tja, es kommt halt sehr auf den Blickwinkel an.

Auch die gut mit der Weiterfahrt verbundene Wanderung zu den Sette Fratelli hält nicht wirklich das, was sie verspricht. 

Dafür bekommen wir zu guter Letzt fast was Paradiesisches geboten: Ein Zeltplatz auf der grünen Wiese im Olivenhain!

Wir werden sehr freundlich empfangen und auch zwischendurch mit kleinen Gefälligkeiten wie frischen Khakifrüchten oder Mehlspeisen zum Kaffee verwöhnt. (Agricampeggio Donne rurali, Villamassargia)

Von hier aus schwärmen wir aus, um eine originelle Kletterei zwischen mannshohen Kakteen ebenso wie eine hübsche Wanderung mit Rückweg durch eine Höhle, die Grotta di San Giovanni, zu erleben. Den einzigen Regentag während der vierwöchigen Reise halten wir hier gut aus und fahren auf Besichtigungstour, unter anderem nach Iglesias.

Im Anschluss an eine steile, gute Kletterei bei Masua/Porto Flavia, wo auch der "Zuckerhut" als Wahrzeichen zu bewundern ist, können  wir noch ein Bad im Meer genießen.

Es geht dem Ende zu. Wir fahren ein gutes Stück zu den Felsen von Pranu Sartu, Klippen gut 100 Meter über dem Meer. Vorsichtig tasten wir uns an den Rand und entdecken Abseilstellen. Aber es ist kaum was angeschrieben und die Fotos mit den eingezeichneten Routen sind alle vom Meer aus aufgenommen. Wie hier die richtige Stelle finden? Aufs Geratewohl abseilen könnte sehr unangenehm enden, lässt sich doch die Kletterschwierigkeit während des Abseilens nicht wirklich gut einschätzen. Selbst durch die Hilfe des dicken Buches, das uns eine Schweizerin gern borgt, sind wir nicht wirklich schlauer. Und so entpuppt sich unsere Kraxlerei nach dem Abseilen mit leicht mulmigem Gefühl eben doch nicht als eine im Bereich 4c, zum Kennenlernen gedacht, sondern als solide 6a, die eher  großzügig abgesichert ist.

Mit einer reizvollen Wanderung durch die Oriddaschlucht, schon auf dem Weg zur Fähre nach Olbia,  beschließen wir unsere Reise.

Eins ist klar: Sardinien wird uns wieder sehen!

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Kommentare: 1
  • #1

    Tine (Mittwoch, 19 Oktober 2022 21:53)

    Gratulation! Sagenhaft schön. Bilder wie im Film. Großartiges geleistet! L.G.T.