· 

ostern in den lepontinischen bergen

In den vergangenen beiden Jahren erlebten wir, dass Gruppen vom Simplon aus zur "Route Soleil" starteten. Von dieser hatten wir zuvor nie gehört. Ich suchte und fand eine Tour, die meist von Realp zum Simplonpass gegangen wird. Diese Strecke modifizierten wir zu einer Runde, die ursprünglich in Riale im hintersten Val Formazza, einem Siedlungsgebiet der Walser, starten und enden sollte. 

Doch erstens kommt es anders....


Es beginnt damit, dass wir im Rif. Maria Luisa keinen Platz bekommen und unseren Ausgangspunkt nach Villa Bedretto verlegen. Nach einer Nacht auf dem Camping Gottardo in Faido starten wir am Palmsonntag gegen 8 Uhr im Bedrettotal. Beängstigend hoch sind hier die Schneemauern links und rechts der Straße. Wir ziehen die Spur hoch in Richtung Gotthardstraße und biegen um zu unserem ersten Ziel, dem Pizzo Lucendro. Eine gute Abfahrt, bei der wir allerdings den schweren Rucksack sehr spüren, führt uns ins Witenwasserental. Hier beginnt unser zweiter Anstieg des Tages zur Rotondohütte, der uns ordentlich fordert, tragen  wir doch neben genug Jause auch Steigeisen und Pickel mit - umsonst, wie wir aber jetzt noch nicht wissen. Die Hütte ist gut gefüllt, einige Partien wollen die Route Soleil weiter gehen.

Am nächsten Morgen schneit es, dichter Nebel herrscht vor. Schon um die korrekte Richtung von der Hütte weg einzuschlagen, brauche ich das GPS. Ich bin sehr froh, das Smartphone, genug Strom in Form einer starken Powerbank und eine (damals noch verfügbare) sehr brauchbare App  zum Navigieren bei der Hand zu haben. Auf dem Witenwasserenpass holen wir eine große Gruppe ein. Die Kollegen zögern, ob sie überhaupt abfahren sollen. Knapp vor dem Chüeboden treffen wir Markus und Bernhard aus Bayern. Auch sie sind unschlüssig, ob sie weiter gehen oder  eventuell hin-aus ins Goms abfahren sollen. Nach einem kurzen Gespräch schließen sie sich uns an und wir steigen planmäßig hoch in Richtung Sidelenlücke.

Anfangs freuen wir uns über eine gute Spur, die sich jedoch bald verliert. Es wird dichter nebelig und der Weiterweg lässt sich nur mehr durch ständiges Überprüfen unseres Standortes, also mit dem Smartphone gleichsam in der Hand finden. Dann wird's steiler, Felsen tauchen auf. Ich bin im Gegensatz zu unseren Kameraden fest davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein und lasse mich nicht davon abbringen, Spitzkehre um Spitzkehre hoch zu spuren. Allerdings vertraue ich voll auf die Technik. Würde es noch steiler, müssten wir die Schi schultern, vielleicht sogar Steigeisen anlegen...

Jim übernimmt ein paar Kehren, dann wieder ich. Die weiße Flanke, eher Rinne, begrenzt von Felsen, verliert sich im Nebel. Dann: Das Gelände legt sich zurück, zwei Kehren noch, wir sind in der Lücke. Auch die beiden Bayern kommen nach. Die folgende Abfahrt zur Nufenenpassstraße gestaltet sich einfacher, die Sicht bessert sich. Und bald taucht hoch über uns die Cap. Corno Gries, ein futuristisch anmutender Hüttenneubau, auf. Noch einmal 300m aufsteigen, dann ists geschafft.

Wir werden überaus freundlich von Monica empfangen, haben doch alle anderen Gäste abgesagt, darunter auch eine größereGruppe. Zum Abendessen dürfen wir Fondue auswählen und zum Schluss folgt eine Überraschung:  Die Köchin


schlägt ein Ei in die leere Fonduepfanne, mit dem die Reste quasi aufgetunkt werden. Nach dem Besuch des Hüttenfuchses gehen wir bald satt und erschöpft schlafen und denken, anstrengender und herausfordernder kann es eigentlich nicht mehr werden.

Der Dienstag bringt unerwartet wieder Nebel und leichten Schneefall. Motiviert starten wir, es muss ja bald besser werden. Über den Cornopass, hinunter zum Griessee und hinauf zum Griesgletscher führt die Route - und es ist genug Schnee zum Spuren da. Die Abfahrt zum See ist nicht ganz einfach zu finden, weiter gehts im Nebel den Gletscher hinauf. Bald holen uns die schnelleren Markus und Bernhard, übrigens miteinander verschwägert, ein, nachdem sie noch länger auf der Hütte geblieben waren und sich mit der freundlichen Wirtin unterhalten hatten. Endlich wird es sonnig und wir steigen  bei sehr schönem Wetter aufs Blinnenhorn.

Die Abfahrt führt uns nahe der Hütte Claudio e Bruno auf den Hohsandgletscher, bevor Jim knapp 300 Hm hinauf zum Mittelbärgpass spurt. Ja, wieder spuren. Und wieder fällt Nebel ein. Die richtige Abfahrt und das letzte Stück zur Binntalhütte zu finden ist schon wieder gar nicht so ohne.

Über die sehr geräumigen Winterräumlichkeiten der bestens ausgestatteten Hütte freuen wir uns sehr und es wird ein netter, gemütlicher Abend mit den beiden Kollegen, mit denen wir so gut harmonieren. 

Der Aufstieg am Mittwoch zum Albrunpass verläuft - bei Nebel, dafür wird die Abfahrt zum Lago di Devero schön, es klart immer mehr auf und wir genießen den warmen Nachmittag auf dem zu Recht wegen seiner guten Küche gerühmten Rif. Castiglioni auf der Alpe Devero. 

Bei eher weihnachtlichen Verhältnissen geht's am Donnerstag hinauf auf den Pizzo Bandiera. Hier sorgt ein Schweizer Bergführer für eine gewisse Erheiterung: Er verlangt, nachdem er brav gespurt und dann auf dem Gipfel mit seiner Gruppe sehr lange gerastet hat: "Ich hab da herauf gespurt und möchte mit meiner Gruppe schon als erster hinunter fahren!" - Bitte sehr, hinein in den Nebel! Der Schnee aber, der war eh recht gut. 

Markus und Bernhard verlassen uns an diesem Tag. Zu unsicher ist ihnen verständlicherweise die Lage für ein eventuelles Weitergehen Richtung Simplon über die Alpe Veglia. Wir aber lassen uns am Folgetag trotz miserablen Wetterberichts und der Aussicht auf Lawinenwarnstufe 4 nicht abschrecken. Noch nicht. Bei leidlich gutem Wetter führt unser Weg hinauf zur Scatta Minoia, die wir bei zunehmendem Sturm erreichen. Hinunter zum Lago Vannino und zum Rif. Margaroli stochern wir schon wieder mit dem Smartphone in der Hand bei dichtem Schneefall.

Als einzige Gäste dieser Hütte leben wir kulinarisch gut, werden aber auch laufend vom Hüttenwirt gewarnt: Es herrscht Stufe 4 und das Weitergehen ist  "pericoloso". Von Freitagabend bis Samstagmittag schneit es wirklich Unmengen, der italienische Lagebericht weist die zweithöchste Stufe auch für den nächsten Tag aus. Bei der ersten Aufklarung am Ostersonntag ent- scheiden wir uns kurzentschlossen mit aller gebotenen Vorsicht zum Pistengebiet von Valdo und weiter ins For-mazzatal abzufahren.

Wenig heldenhaft und prosaisch endet unser Unternehmen nach einem Taxitransfer (!) schließlich wieder auf dem Camping Gottardo. Hier trocknen wir, nachdem wir im Bredetto unser Auto erst einmal freigeschaufelt haben, unsere Sachen, beschließen palavernd die intensive Zeit bei einer Pizza und freuen uns über die warme Dusche.